Liebe Grimmaerinnen, liebe Grimmaer,
der Umgang mit den sogenannten alternativen Energien, das heißt, die Etablierung von Photovoltaik-, Windkraftanlagen und vielen mehr ist sicher eine der kommunalpolitisch herausforderndsten Thematiken. Der aus meiner Sicht sehr ideologisch geprägte Diskurs im Umgang mit Atomstrom und der sicher auch durch das Kriegsgeschehen nicht mehr mögliche Einkauf von Gas und Öl zu akzeptablen Preisen hat unser Land, aber auch unsere Stadt, in eine Situation der energetischen Unsicherheit manövriert. Überraschender- und glücklicherweise wurden die letzten beiden Winter, trotz der zumindest für mich sich darstellenden Strategielosigkeit der politisch Verantwortlichen, gut überstanden. Auch unsere Stadt muss sich diesen neuen Rahmenbedingungen stellen und Strategien erarbeiten, wie sie eine energetische Stabilität und Unabhängigkeit für die nächsten Jahrzehnte strukturiert. Aus dieser aktuellen Situation resultieren auch Fragestellungen aus der Bürgerschaft, die regelmäßig an die Stadtverwaltung herangetragen werden. Auch hierauf müssen Antworten gefunden werden. Deshalb hat sich vor anderthalb Jahren eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus Verwaltung, Stadtrat, Wirtschaft und Grimmaer Bürgerinnen und Bürgern auf den Weg gemacht, um Leitlinien für die Zukunft unserer Stadt im Umgang mit alternativen Energien zu erarbeiten. Im Nachfolgenden möchte ich Ihnen kurz eine Übersicht dazu geben.
Umgang mit Photovoltaikanlagen:
© Kirchner_ Solar_GroupDie Nutzung von Wiesen, Weiden und Landwirtschaftsflächen für Photovoltaikanlagen lehnen wir ab. Diese sollten ausschließlich für die landwirtschaftliche Nutzung vorgehalten werden. Das schärfste Schwert bei der Umsetzung dieser Zielstellung haben die Grundeigentümer in der Hand, welche ich bitten möchte, trotz noch so verlockender Angebote durch Photovoltaikanlagenbetreiber, ihre Flächen weiterhin exklusiv den Landwirten zur Verfügung zu stellen. Die Nutzung von Dächern oder Kombinationslösungen Lärmschutz und Photovoltaik wird ausdrücklich begrüßt. Zur Durchsetzung dieses Ziels muss ein neuer, modernerer Umgang mit dem Denkmalschutz gefunden werden.
Umgang mit Windkraftanlagen:
Nach aktuellem Recht gibt es beim Neubau von Windkraftanlagen für die Kommunen nahezu keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr. Die Arbeitsgruppe hat folgende Festlegungen im Umgang mit Windkraftanlagen getroffen. Bei Neuplanung ist ein Mindestabstand zu Siedlungen von 1.000 Metern einzuhalten. Beim sogenannten Repowering, dem Ersatz von Altanlagen durch zumeist größere Neuanlagen, darf eine Unterschreitung der Mindestabstandsflächen von 1.000 Metern nur nach Befürwortung durch die Ortschaftsräte unter vorheriger Einbindung der betroffenen Anwohner genehmigt werden. Windkraftanlagen im Wald werden generell abgelehnt. Die dabei zu erwartenden ökologischen Beeinträchtigungen wären nicht akzeptabel.
Unter Anwendung dieser Richtlinien wurden im Stadtrat am 29.02.2024 entsprechende Beschlüsse gefasst. Dazu im Einzelnen:
- Die Errichtung von vier Windkraftanlagen auf dem Gebiet der Stadt Leisnig in Bezug auf die Ortsteile Draschwitz, Zschoppach und Motterwitz mit weniger als 1.000 m Siedlungsabstand. Nach positivem Votum des Ortschaftsrates Dürrweitzschen und negativem Votum des Ortschaftsrates Zschoppach wird das Vorhaben durch den Stadtrat abgelehnt.
- Dem Neubau von zwei größeren Windkraftanlagen auf der Gemarkung Jeesewitz bei vorheriger Entfernung von fünf Bestandsanlagen wird aufgrund der vorliegenden Befürwortung durch den Ortschaftsrat Mutzschen seitens der Stadt Grimma zugestimmt.
- Das Repowering einer Windkraftanlage auf der Gemarkung Jeesewitz, betroffen wären die Ortsteile Draschwitz und Jeesewitz, wird bei Zustimmung des Ortschaftsrates Mutzschen und Ablehnung des Ortschaftsrates Zschoppach durch den Stadtrat abgelehnt.
- Zum Repowering im Windvorranggebiet „Silberberg“ wurde keine Entscheidung getroffen. In Vorbereitung der Ortschaftsratsentscheidung findet ein Ortstermin mit Ortschaftsrat, Bürgern und dem Projektentwickler statt. Eine Entscheidung ist in einer der nächsten Stadtratsitzungen zu erwarten.
Heizungsgesetz / Wärmenetzplanung:
© Stadt GrimmaDas offiziell als Gebäudeenergiegesetz (Heizungsgesetz) bezeichnete Gesetz hat mehr Unklarheit als Klarheit gestiftet. Oft werden an uns Fragen herangetragen, wann mit einer Substituierung des jetzt anliegenden Stadtgases durch Wasserstoff zu rechnen ist. Hierzu kann unsererseits keinerlei Aussage getroffen werden. Aus meiner Sicht ist die Energieversorgung mit Wasserstoff noch nicht über das Stadium einer sehr emotional-ideologisch geführten Diskussion hinausgereift. Aufgrund des bekanntermaßen sehr schlechten Wirkungsgrades bei der sogenannten Hydrolyse und der daraus resultierenden notwendigen Strommengen, ist aus meiner Sicht in den nächsten Jahrzehnten nicht mit einer Umstellung von Gas auf Wasserstoff zu rechnen. Gleiches gilt zur sogenannten Kommunalen Wärmenetzplanung. Die Stadt Grimma verfügt bereits in hochverdichteten Ortslagen wie Grimma-Süd und -West über Wärmenetze; darüber hinaus in kleineren Insellagen, oft in Kombination mit Biogasanlagen und Blockheizkraftwerken, welche überschüssige Wärmemengen zu Heizzwecken einsetzen, durchaus über einige weitere Wärmenetze. Auf Landesebene gibt es zwischen den Kommunen die Abstimmung, dass eine Beauftragung eines Wärmenetzplanes sachsenweit durch die kommunale Familie erst stattfinden soll, wenn wie angekündigt, die finanziellen Mittel durch den Bund hierfür per Gesetz zur Verfügung gestellt werden. Insofern ist eine Prognose zur zeitlichen Umsetzung der sicher für die nächsten Jahre durchzuführenden Wärmenetzplanung nicht möglich.
Liebe Grimmaerinnen und Grimmaer, wie Sie den vorstehenden Ausführungen entnehmen konnten, ist das Thema Energie zurzeit mit sehr vielen Unbekannten behaftet. Wie so oft im Leben zwingt uns die teilweise aus überheblicher Ideologie, teilweise aus objektiven Gründen resultierende energetische Situation zum Umdenken, um auch für die Zukunft über genügend Energie für Wirtschaft und das allgemeine Leben zu verfügen. Wir sollten darin durchaus eine Chance sehen und selbstbestimmt für unsere Stadt die Themen anfassen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dabei aktiv mit einbringen und stehe jederzeit für Ihre Fragen und Meinungen zur Verfügung.
Ihr
Matthias Berger
Oberbürgermeister