© Photo Pippig Im Zusammenhang mit dem Bau des REWE-Marktes taucht der Begriff „Sauteich“ immer mal wieder auf. Es ist einfach zu behaupten, dass dort die Schweinehirten der Unterstadt die ihnen anvertrauten Tiere zusammentrieben, um sie zur Waldhutung zu führen. Genaueres schrieb auch dazu Magister Lorenz in der Stadtchronik von 1856. Er kannte noch den Rest des einst sehr tiefen Stadtgrabens, der vor der Mauer die Stadt umgab, nie militärisch wirklich bedeutungsvoll war, aber jahrhundertelang entlastete die Stadt als „Umfluter“ bei jedem Hochwasser. Nach der Urkunde von 1241 schenkte der Markgraf dem städtischen Hospital „einen Obstgarten“ entlang „des Gewässers“ vom Pappischen Tor bis zum Schloss hin. Es gab 1369 einen Streit um den anderen Teil des Stadtgrabens – um die Fischereirechte: vom Pappischen Tor bis zur (Ober-)Großmühle. Wir kennen die Schwanteiche und können uns nicht vorstellen, wie Wasser aus der Mulde vom Floßplatz dahin lief! Die Stadt hatte nach und nach das ganze Gelände erworben und betrieb dort Teichwirtschaft, die sie 1659 verpachtete. Man sah aber im 18. Jahhundert ein, dass das sumpfige Gelände vor der Stadt den Einwohnern gesundheitlich abträglich war. Der Bürger- und Stadtbaumeister Benjamin Gotthold Schlick setzte am Ende des 18. Jahrhunderts die entscheidenden Veränderungen durch. Das Wasser des Queckborns und der Malzmühlquelle, soweit sie nicht den städtischen Wasserleitungen dienten, flossen ja schon immer dem Stadtgraben zu, auch das Wasser des Thostbaches. Entlang des Wallgrabens sehen wir eine dicke Mauer – die Stadtmauer in ihrer originalen Höhe, ihr Umgang ist sogar teilweise erhalten. Sie war außen 8 bis 10 Meter ab dem Geländesprung unterhalb des Pappischen Tores und muss lange sehr eindrucksvoll gewesen sein. Dort wurde sehr viel angefüllt, um die Stadt trocken zu kriegen. Zum Sauteich hin wurde ebenso viel angefüllt. Das alte Stadtbild wurde von dieser Seite her völlig verändert und damit das Stadtklima entscheidend verbessert: Damit verschwanden auch die Teiche und Tümpel in der Stadt, in der auch Untiefen und Senken ausgeglichen wurden. Nicht zufällig lag das Dörfchen Pappershain dort, wo jetzt die neue Sparkasse steht und die erste Ansiedlung (8. – 10. Jh.) war (dort, wo wir „die altneue Tankstelle“ kennen). Man siedelte hier wie überall auf der Welt: hochwasserfrei, doch wassernah. Die größere Sicherheit in der befestigten Stadt wurde mit den Hochwassergefahren erkauft. Zwischen 1786 und 1792 wurde das Gebiet bis zur ehemals kurfürstlichen Schießhütte an der Mulde (Volkshaus) mehrere Meter hoch aufgefüllt, trockengelegt und intensiv genutzt. An die alten Verhältnisse erinnert noch der Dammweg hinter dem Stadion und das auffällige Portal zur ehemaligen Tischlerei Werner, das in den Herfurthschen Garten führte. Als letzte wurde um 1819 die wohl größte von Dämmen umgebene Fläche des Sauteichs planiert, angehoben und ebenfalls mit Linden bepflanzt. Mit mehreren Linden- und einer modischen Platanenallee gestaltete man das Gelände bis zum Fuße des Burgberges. Erst nach dem Jahr 2000 sind die letzten Gärten vor dem ab 1900 angelegten Schlachthof aufgegeben worden. Die Fläche schreit seitdem nach einer Gestaltung, sie blieb dadurch erhalten, dass dort die bekannte Wäscherei Mohr einen Teil der Leipziger Hotelund Bettäsche mit Wasser, das von der Weinbergquelle zulief, wusch und bleichte. Aus der folgenden Wäscherei Bennewitz wurde der gleichnamige Stahlbau. Mit dem Schutt der Stadtmauer verfüllten um 1870 kriegsgefangene Franzosen den Rest des Stadtgrabens und legten die breite Straße um die Stadt herum an. So entstand unsere Kostbarkeit: die Ringpromenade mit Linden und Flieder bepflanzt. Von den Teichen muss der Sauteich vor dem Volkshaus der größte und bedeutendste, namensgebend gewesen sein. Vor knapp 100 Jahren zeichnete der berufene Leipziger Gartenarchitekt Johannes Gillhoff einen umfassenden Plan, den ganzen grünen Ring einheitlich zu gestalten, der aber nur zu einem kleinen Teil verwirklicht wurde. Diese Arbeit ist immer noch vorbildlich. Dieser landeskulturellen Kostbarkeit darf nicht noch weiter Raum als Bauland entzogen werden, wie es jüngst geschah. Es gibt den Versuch eines gewissen Ausgleiches: seit etwa zehn Jahren steht eine Reihe kräftiger orientalischer, vielfach resistenter Platanen an der Zufahrt zur neuen Brücke. Es drängt sich auf, den Rest des „Raumes Sauteich“ zwischen „der Mauer“ und dem REWE-Markt mit Beteiligung der Einwohner sinnvoll grün und so zu gestalten, dass der verbliebene Rest mehrfach genutzt werden kann, denn den Parkplatz bedeckt bloß Beton. Die Fläche muss auch für den Jahrmarkt genutzt werden können, noch sind die Menschen und nicht Autos die Bewohner der Erde. Wenigstens der Rest darf nicht zubetoniert werden, ist zu begrünen und ist vom ehemaligen Schlachthof her bis zur Friedrich-Oettler-Straße insgesamt zu werten. Es leuchtet ein, dass jetzt die „Hochwasserstele 2002“ neu platziert werden müsste. Das Schöpfwerk neben der alten Brücke haben wir zu ertragen. Von dieser Stelle aus drang unleugbar immer das Hochwasser zuerst in die Stadt ein. Die schöne Stadt „im Tale, wo die Mulde fließt…“ lebt immer mit der Gefahr des Hochwassers. Als eine denkmalsgeschützte Altstadt gehört Grimma zu den wenigen auch touristisch bedeutendsten Städten des Landes und hat eine landschaftlich wie kulturhistorisch reiche Umgebung, wie wenig das auch allgemein geläufig ist: eine einmalig spätmittelalterlich wirkende sächsische Stadt mit einer unverbauten Stadtmauer auf einem grünen Vorland vor dem Fluss mit einem nicht nur erkennbaren, geschlossenen grünen Ring davor. Es drängt sich auf, den Raum zwischen Sauteich und Mühltor mehrfach wie abwechslungsreich als etwas Einmaliges zu gestalten!
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Über den Sauteich
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von Rudolf Priemer
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Meldung vom 12.06.2019