Frage: Herr Berger, vor knapp einem Jahr wurden die Fraktionen des Kreistages durch den damaligen Geschäftsführer der Muldentalkliniken GmbH, Mike Schuffenhauer, über die prekäre Lage des Krankenhauses informiert, mit dem Hinweis, dass zur Abwendung einer Insolvenz dringender Handlungs- und Entscheidungsbedarf besteht. Unser Amtsblatt titelte am 18. Februar dieses Jahres sogar: „Krankenhaus Grimma, bald selbst ein Patient?“ Wie geht es dem Patienten heute?
Dem Patienten geht es nicht besser. Wir sind einer Lösung, um beim medizinischen Vokabular zu bleiben, der Genesung der Muldentalkliniken, keinen Schritt näher gekommen. Wenn überhaupt nähern wir uns Schritt für Schritt dem Abgrund, in dem Fall der Insolvenz der Muldentalkliniken gGmbH. Das Problem ist, dass monatelang sehr emotional, aber nicht faktenorientiert diskutiert wurde. Ich glaube, dass vielen bis heute nicht bewusst ist, dass es schon lange nicht mehr darum geht, an welchem Standort welche Fachrichtung etabliert wird, oder welcher Standort geschlossen wird, sondern dass grundsätzlich die Muldentalkliniken vor dem Aus stehen. Die Veränderungsverweigerung und die Entscheidungsunwilligkeit der Verantwortlichen haben uns wertvolle Zeit gekostet. Ich glaube, es wäre wichtig, sich wieder einmal den Fakten zuzuwenden. Diesbezüglich möchte ich an das Entwicklungskonzept von Herrn Schuffenhauer von Anfang dieses Jahres erinnern, welches er von den Chefärzten der Muldentalkliniken mit großer Mehrheit bestätigt bekam. Da dies Veränderung bedeutet hätte, fand es nicht die Akzeptanz bei den entscheidenden politischen Gremien und wurde einfach weggewischt. Daraufhin wurde von einigen Aufsichtsräten gemeinsam mit den Linken und der SPD ein Strukturkonzept vorgelegt, welches von Herrn Schuffenhauer als verantwortlichen Geschäftsführer als nicht zukunftsfähig be- zeichnet und dessen Umsetzung von ihm deshalb verweigert wurde. Daraufhin musste er gehen. Danach wurde die Erstellung eines neuen Entwicklungskonzeptes beauftragt und durch ein renommiertes Unternehmen erarbeitet, dessen Umsetzung per Kreistagsbeschluss zur Bedingung einer finanziellen Unterstützung durch den Landkreis zur Vermeidung der drohenden Insolvenz der Muldentalkliniken gGmbH gemacht wurde. Obwohl ausdrücklich zur Bedingung gemacht wurde, dass die Pädiatrie von Wurzen nach Grimma ziehen sollte, sollen nun die Entbindung und die Gynäkologie nach Wurzen ziehen. Ein klarer Bruch der Vereinbarung bzw. Verletzung der Bedingungen.
Frage: Deshalb fand auch die große Demonstration der Hebammen mit ca. 1.000 Unterstützern am 19. September auf dem Grimma Markt statt?
Richtig. Vollständigkeitshalber muss man sagen, dass den Beleghebammen auch nach Konzept hätte gekündigt werden müssen. Dies aber unter anderen Vorzeichen und zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich, dass unabhängig von diesen eine Konzentration von Entbindung, Gynäkologie, Pädiatrie in Grimma stattfindet. Aufgrund des Mangels an Hebammen generell hätten dadurch die Beleghebammen in Grimma eine echte Chance gehabt. Die angesprochene Verlegung der Gynäkologie und Entbindung nach Wurzen soll nach Aussage von Landrat Graichen nur interimsmäßig sein, um Investitionen in Grimma tätigen zu können, welche für die in Zukunft nach Grimma zurückziehende Gynäkologie und Entbindung optimale Bedingungen schafft. Ob dieses Versprechen jedoch eingehalten wird, bleibt abzuwarten.
Frage: Aber wie geht es nun weiter?
Mittlerweile soll das vierte Konzept, diesmal bis zum Jahresende erarbeitet werden. Ich halte dies für völlig überflüssig und genau genommen reine Zeit- und Geldverschwendung. Im Ergebnis wird es wieder politischen Widerstand gegen die daraus abzuleitende Veränderung geben und die Kliniken geraten in eine immer schwerere wirtschaftliche Schieflage. Uns fehlt einfach der Wille und der Mut, die nun notwendigen Entscheidungen und Veränderungen durchzuführen. An dem von Herrn Schuffenhauer bereits vor einem Jahr vorgelegten Grundkonzept der Schaffung eines Krankenhauses in Grimma und einer ambulanten großen Einrichtung in Wurzen, vielleicht mit angeschlossener Geriatrie, führt kein Weg vorbei. Dies aus rein baulichen und
wirtschaftlichen Gründen. Daran werden auch die zukünftigen Konzepte nichts ändern. Da seitens des Landrates und der Kreisgremien ziemlich klar die Position vertreten wird, dass seitens des Landkreises kein weiteres Geld zur Vermeidung der Insolvenz der Muldentalkliniken gGmbH ausgereicht wird, dürfte sich die Liquiditätskrise in naher Zu- kunft wiederholen.
Keine schönen Aussichten?
Anfang des Jahres bin ich noch in der Leipziger Volkszeitung mit den Worten „OP am offenen Herzen“ zitiert worden. Um im medizinischen sprachlichen Kontext zu bleiben, nach einmaliger Reanimation liegt der Patient jetzt auf der Palliativstation. Spannend finde ich, dass die Hebammen jetzt dem Landrat ein Angebot gemacht haben, die Entbin- dungsstation „eigenverantwortlich“ fortzuführen. Dies wäre eine echte Chance. Ich hoffe, dass der Landrat zeitnah auf das Angebot eingeht.