Wenn wir uns unter den Männern umsehen, die einst in Grimma gelebt und gewirkt haben, so ist Christian Gottlob Lorenz derjenige dessen Name über alle Epochen hinweg unvergänglicher Ruhm zuteilwird. Er wurde am 25. Januar 1804 in Hüttengrund bei Marienberg im Erzgebirge geboren und war selbst von 1819-1824 Absolvent der Fürsten- und Landesschule St. Augustin Grimma. Dort übte er auch von 1831 bis 1864 seine Lehrtätigkeit als Lehrer und Professor aus. In der am 12. Dezember 1870 verliehenen Ehrenbürgerschaft heißt es: „Weil er sich durch seine historische Schrift - Die Stadt Grimma im Königreich Sachsen historisch beschrieben – einen seltenen und großen Verdienst erworben hat.“ Lorenz begann dieses Werk nach fünfjähriger Vorarbeit im Jahre 1856 und beendete es 1870. Das Werk beschreibt in mehreren Abteilungen den Namen und Ursprung der Stadt vom elften Jahrhundert bis zur Gegenwart, die öffentlichen Gebäude – auch die der umliegenden Dörfer-, die Häuser und Einwohner Grimmas, den Nahrungszustand, das Stadtvermögen, die königlichen Behörden sowie die Stiftungen, Vereine und Gesellschaften. Es ist ein Werk von wissenschaftlicher Gründlichkeit, wie es damals ganz wenige Städte aufweisen konnten. Es wird immer seine Bedeutung behalten, für alle, die sich mit der Geschichte Grimmas befassen. Stets war die Chronik unentbehrliche Grundlage für weitere Forschungen. Der Verfasser ließ sein Werk bei der Dyk`tschen Buchhandlung in Leipzig drucken.
Der Grimmaer Buchhändler Gustav Gensel (1828-1906) kaufte sämtliche Vertriebsrechte des Buches. Auch er war Ehrenbürger von Grimma. Aus Liebe zuseiner Stadt und seiner Schule verzichtete Lorenz auf jegliches Honorar. Auch Aufwendungen zur Beschaffung geschichtlicher Quellen, größere Reisen und Herstellung der Zeichnungen übernahm er selbst. Dies spielte auch eine Rolle bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft. Was ist aber nun über den Menschen Chr. G. Lorenz zu sagen? Der bekannte Grimmaer Historiker Dr. Henning hat zu der Person von Lorenz geforscht. Er verweist auf ein Heftchen, das ein Schüler von Lorenz, der spätere Pfarrer J. Winter, anlässlich der Feier zur Einweihung des neuen Gebäudes der Fürstenschule im Jahre 1891 publiziert hat. In der Broschüre, mit dem Titel „Unser Rektor und seine Kollegen“, schreibt Pfarrer Winter über Lorenz folgendes: „Nachdem er als Schüler das Moldanum (Schule an der Mulde) absolviert hat, studierte er in Leipzig Theologie und hatte im Jahre 1829 das Amt des zweiten Predigers an der Paulinerkirche übernommen. 1831 war er als zweiter Adjutant nach St. Augustin berufen worden. Dort erhielt er 1843 die zweite Professur, die er 1864 niederlegte, um in den Ruhestand zu treten.“ Lorenz war ein ebenso fleißiger wie gründlicher Arbeiter, die Studierstube war seine Welt. Früher hatte er sich vorwiegend mit römischer Geschichte beschäftigt, später aber hatte ihn die Stätte seines Wirkens voll eingenommen. Seine Chronik von Grimma war in Fachkreisen hochgeschätzt. Er hatte auch mehrbändige Publikationen zur Geschichte der Schule geplant und bereits mehrere Beiträge dazu geliefert. Lorenz hatte seine feststehenden Sitten und Gewohnheiten, die ihm sehr gutstanden und die wir Schüler sehr gut kannten. Er schrieb sich stets in alter Weise Magister, nicht Doktor. Er begann die verschiedenen Unterrichtsstunden mit gewissen wiederkehrenden Einleitungsworten, er kleidete sich immer auf dieselbe Art. Selten wird ihn ein Schüler anders gesehen haben: Er trug einen langen, den ganzen Körper umhüllenden dunkelbraunen Rock, den er auch bei Feierlichkeiten über das offizielle Festkleid gezogen hatte, ein weißer Streifen schaute an der Brust hervor, ein kleines Käppi bedeckte den großen runden Kopf und die immer knarrenden Stiefel nicht zu vergessen. Lorenz war eine nüchterne ruhige Natur. Das prägte sich auch in seiner Lehrweise aus. Seine Stärke lag in der grammatikalischen Durchbildung der Schüler, sein ganzer Unterricht war darauf ausgerichtet. Wiederholt ist ihm von den überge- ordneten Organen ein höheres Ordinariat angeboten worden, aber er blieb seinen Schülern treu. Hier fühlte er sich in seinem Element. Da wurde fleißig lateinischer und griechischer Satzbau geübt. Die lateinische Grammatikstunde fiel auf die Nachmittage. Da war man zwar nicht immer zu logisch-grammatischen Denken aufgelegt, die Stunden aber waren gut. Wie er selbst ein gutes gefälliges Latein schrieb, so brachte er auch seine Schüler dahin, dass sie im Latein-Übersetzen und Schreiben recht Anerkennungswertes leisteten. Übrigens legte Lorenz auch Wert auf die äußere Form eines geschriebenen Textes. So mussten seine Schüler von Zeit zu Zeit einen Brief an ihn richten, natürlich einen in Latein, den sie in aller Form einzureichen hatten. Bei der Rückgabe sprach er dann auch alle Äußerlichkeiten eines Briefes eingehend durch und verwies darauf, dass nicht nur der Inhalt sondern auch äußere Form gewisse Eigenschaften des Absenders widerspiegeln können. Lorenz war von allen Lehrern für die Schüler die sympathischste Erscheinung. Er war eigentlicher Vertrauensmann, von ihm wussten sie sich am besten verstanden. Während die Gestalt des Rektors (Eduard Wunder) vor allem einen tiefen Respekt einflößte und sich bei ihm jedes Wort zweimal überlegte, ehe man es aussprach, glaubte jeder Schüler zu Lorenz sein ganz besonderes Vertrauen haben zu dürfen. War er in eine heikle Situation hineingeraten, bedurfte es vor dem Rektor und dem Lehrerkollegium eines Fürsprechers, so nahm er zu ihm seine Zuflucht. Fällte der Rektor gegen einen Schüler ein Strafurteil, so nahm sich Lorenz seiner an und erreichte sehr oft Strafmilderung. Das ganze Wesen und Auftreten dieses Mannes war ausgesprochene Herzensgüte. Man sah ihm gern in sein volles Gesicht, aus dem die Augen auch streng blicken konnten, in dem aber auch vertrauenerweckendes Wohlwollen ebenso unverkennbar ausgeprägt war. Er duldete nicht, wenn sich die Schüler gehen ließen und konnte auch streng sein und Strafen. Aber das Mittel wodurch er hauptsächlich wirkte, war doch die bei ihm vorhandene warme Sympathie. Während man sonst an allen Lehrern allerhand auszusetzen hatte, war Lorenz davon ganz ausgenommen. Hätte ein Schüler es gewagt ihn zu ärgern oder einen Streich zu spielen, hätte er es sofort mit allen anderen zu tun gehabt. Lorenz hatte in der Behandlung seiner Schüler einen eigenen vertraulichen Ton, besonders zu denen, die bei ihm einen guten Stand hatten. Darauf konnte aber jeder rechnen, der sich wirklich bemühte und eine Leistungssteigerung erkennbar war.
Wohnhaus Christian Gottleb Lorenz© Stadt GrimmaEr liebte es in den Verlauf einer Unterrichtsstunde ein Witz einzubauen. Ja man sagte ihm nach, er habe an bestimmten Stellen stets wiederkehrende Witze eingeflochten, wie es ja von manchem großen Gelehrten erzählt wird. Wenn ihm ein solcher Witz gut gelang, durfte nicht gelacht werden, warum war keinem bekannt. Dafür wurde das allgemeine Wohlgefallen durch lautes Brummen kundgetan. So kam es vor, dass, wenn er während seiner Wocheninspektion die Schüler spazieren führte und in der Unterhaltung mit seinen Schülern eine witzige Bemerkung machte, die ganze Klasse auf offener Straße laut zu brummen begann. Denn die, die den Witz verstanden hatten fingen damit an und die restlichen stimmten schleunigst mit ein. Das gefiel dem Magister. Nun kam es aber vor, dass die Sache ausartete. Da verhängte er nach mehrmaliger Verwarnung eine Strafe über die Klasse. Es mussten 80 Verse Homer gelernt werden. Wenn dadurch nun kurzfristig das Brummen ausblieb, missfiel ihm das bald. Da warf er wieder einen Wortwitz hin, es wurde wieder gebrummt, und er war wieder froh. Wenn er an seinen Schülern etwas zu rügen hatte, so bediente er sich einer komisch derben Ausdrucksweise, an der sie ein großes Wohlgefallen hatten, sodass sie seine Worte oft unter sich wiederholten. Als Magister Lorenz 1864 infolge zunehmender körperlicher Leiden sein Amt an der Schule niederlegte, sagte er mit Tränen in den Augen: Das sei für ihn der schmerzlichste Tag seines Lebens! Das hatten die Schüler völlig verstanden, denn er war auf seinem Lebensweg durch sein amtliches Wirken, durch seine Studien und über allen durch die Liebe seines Herzens aufs innigste mit der Schule ver- wachsen. Sie war der Mittelpunkt seines Lebens. Zum Zeitpunkt seines Abschieds war es auch für die Schüler schwer vorstellbar, wie es ohne ihn weitergehen soll. Jeder hatte das Gefühl, dass ihm ein väterlicher Freund genommen wäre.“ Magister Christian Gottlob Lorenz starb am 31. Juli 1873 infolge eines Schlaganfalls in Grimma. Die Stadt ehrte seinen verdienstvollen Ehrenbürger, indem sie eine Straße nach ihm benannte. An seinem Wohnhaus Lorenzstraße 15 unweit seiner Wirkungsstätte wurde eine Gedenktafel angebracht.