Es gab eine Zeit, als Verleger mehr waren, als nur Geschäftspartner der Autoren – sie sorgten sich auch persönlich um ihre Schriftsteller, halfen, wenn die Künstlerkasse einmal knapp war, und ermutigten mit Rat und Tat, wenn der kreative Prozess stockte. Die Verleger des 18. und 19. Jahrhunderts wussten genau: wenn es dem Schreibenden gut geht, profitiere auch ich davon. Georg Joachim Göschen (1752- 1828) gehörte zu den großen Verlegerpersönlichkeiten vor 200 Jahren. Als Leipziger Verlagshändler bestimmte er ab 1785 maßgeblich die deutsche Buchszene mit aus heutiger Sicht fast unvorstellbarem Engagement für schöngeistige Literatur. Seine 1793 gegründete eigene Druckerei, die bereits vier Jahre später nach Grimma verlegt wurde und hauptsächlich für den Eigengebrauch genutzt wurde, führte hinsichtlich Qualität und Schönheit zu einer Renaissance des deutschen Buchdruckes. Dabei konnte Göschen eine laute Stimme sein, wenn er etwa gegen den Raubdruck wetterte oder sich für eine Neuausrichtung des Buchhandels einsetzte. Kaum ein Autor, der sich nicht wenigstens darum bemühte, bei Göschen verlegt zu werden. Und so findet man alle Großen bei Göschen versammelt, so zum Beispiel Goethe, Klopstock, Schiller oder Wieland. Die sogenannte „Fürstenund Prachtausgabe“ der Werke Christoph Martin Wielands gilt gar als Höhepunkt der Buchdruckkunst um 1800. 1795 erwarb der längst europaweit geschätzte Verleger Göschen ein Pferdnergut in Hohnstädt. Das Wohnhaus und der angrenzende 4300 m² große Garten gestaltete Göschen für die schönen Monate im Jahresverlauf zum familiären Sommersitz um. Das Wohnhaus beherbergt mittlerweile das Museum Göschenhaus als einziges Verlegermuseum in Deutschland und ist noch teilweise authentisch überliefert – Folge des Familienbesitzes bis 1934. Und es ist ein großes Glück, dass das Wohnhaus und der Garten von unserer Museumsgründerin Renate Sturm-Francke (1903- 1979), längst selbst eine Legende der Region, erworben wurde – so konnte diese einmalige Anlage die Wirren des 20. Jahrhunderts unbeschadet überstehen. Der Göschengarten, wie er heute genannt wird, ist der einzige klassizistische Privatgarten in Sachsen und eines der wertvollsten Gartendenkmäler in der Muldenregion. Als englischer Garten wurde er von Georg Joachim Göschen selbst ab 1798 angelegt, Ähnlichkeiten zum Gartenreich Dessau-Wörlitz sind dabei nicht zufällig: Göschen arbeitete vor seiner Selbstständigkeit (1785) einige Zeit in Dessau, Zeit genug, sich in Wörlitz ein paar Inspirationen für seinen späteren Garten zu holen – natürlich in Hohnstädt sehr viel kleiner. Auf insgesamt vier Terrassen wurde unter anderem mit einem Freundschaftspavillon in Form eines Tempels, einer Theaterbühne und einem Weinlaubengang ausgestattet. Eine kleine Sitzecke auf der dritten Terrasse erinnert zudem an den berühmtesten Wanderer der Literaturgeschichte, Johann Gottfried Seume (1763-1810), der nicht nur mit Göschen befreundet war und zeitweise für ihn als Korrektor arbeitete, sondern von hier seinen legendären „Spaziergang nach Syrakus“ startete. Und Friedrich Schiller (1759- 1805), der sicherlich bekannteste Gast auf Göschens Landsitz, bemerkte anerkennend „Jener Tag gehört zu den fröhlichsten, die ich durchlebte“.
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Idylle oberhalb der Mulde – Das Museum Göschenhaus
Idylle oberhalb der Mulde – Das Museum Göschenhaus
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- Museum Göschenhaus - Seume Gedenkstätte, Schillerstraße 25, 04668 Grimma
Meldung vom 22.09.2020