Damit sich Eltern, deren Kinder auf eine weiterführende Schule wechseln, einen ersten Überblick über das Angebot des Grimmaer Gymnasiums St. Augustin verschaffen können, beantwortet die Schule hier einige häufig aufkommende Fragen.
Welche besonderen Erfahrungen und Qualifikationen nehmen die Absolventen dieses Bildungsganges nach sechs Jahren mit? Was bringt ihnen das persönlich und für ihre berufliche Zukunft?
Zunächst erwarben die Schülerinnen und Schüler der vertieften sprachlichen Ausbildung im erweiterten Englischunterricht in Klasse 5 und 6 ein weit überdurchschnittliches allgemeinsprachliches Niveau in Englisch. Dies wurde seitdem regelmäßig durch die landesweiten Vergleichsarbeiten in Klasse 8 bestätigt. Da sie zudem ab Klasse 7 Geographie und ab Klasse 9 Biologie in englischer Sprache lernten, verfügen sie schließlich über fachsprachliche Kenntnisse, die für zahlreiche naturwissenschaftliche Studiengänge maßgeblich sind, da die internationale Forschung nahezu ausschließlich auf Englisch erfolgt. Dies bedeutet einen erheblichen Vorsprung beim Start ins Studium. Darüber hinaus lernten die §4-Absolventen zwei weitere moderne Fremdsprachen: Französisch und Spanisch. Dies ermöglichte ihnen bereits während der Schulzeit bis zu drei mehrtägige bereichernde und prägende Begegnungen mit Muttersprachlern der Zielkulturen. So führte sie der Schullandheimaufenthalt in Klasse 7 auf die „Language Farm“ in Brandenburg, wo die Schülerinnen und Schüler eine Woche lang mit Muttersprachlern aus unterschiedlichsten englischsprachigen Ländern ausschließlich auf Englisch kreativ arbeiteten, kochten, spielten und lebten. Die Schulaustauschfahrten nach Bron in Frankreich sowie nach Zamora in Spanien boten die Möglichkeit, diese Länder nicht nur aus der Exotikperspektive von Touristen, sonder als zeitweilige Mitglieder einer Gastfamilie aus der Alltagsperspektive zu erleben, andere Lebenswirklichkeiten kennen und verstehen zu lernen, Freundschaften zu schließen, und somit nicht zuletzt den europäischen Gedanken zu verinnerlichen. Mit diesen Sprachkenntnissen können sich unsere Absolventen in ganz Europa und Amerika verständigen und vielfältige Lebenswelten und Arbeitsmärkte erschließen. Im Projektunterricht der letzten Unterrichtswoche jedes Schuljahres erarbeiteten sich die §4-Schüler darüber hinaus verschiedene literarische, historische und kulturelle Inhalte und erprobten dabei vielfältige Arbeitsund Präsentationsmethoden. So führten sie ein eigenes Theaterstück auf, tauchten ein in die faszinierende Welt der Ritter der Arthus-Legende, lernten die sächsische Industriekultur mithilfe eines eigenen Audio-Guides für das Industriemuseum Chemnitz kennen und erlebten die vielfältige Welt der Volksmusik der englisch-, französisch- und spanischsprachigen Welt durch eigene Tanz- und Kompositionserfahrungen. Bei all dem konnten sie auf die in diesem Bildungsgang gezielt geförderten Methodenkompetenzen
zurückgreifen, die bereits im gesonderten Lehrwerk für den Englischunterricht konsequent vermittelt werden. Ebenso deutlich wird dieser Anspruch im schuleigenen, speziell für die §4-Klassen entwickelten Fach „Pietati, Virtuti, Doctrinae“. Hier trainierten die Schülerinnen und Schüler in Klasse 5 Sozialkompetenzen und Lernmethoden, vertieften digitale Fertigkeiten aus dem Informatikunterricht und wurden medienpädagogisch geschult. In den Klassen 6 und 7 wurden dann natur- bzw. geisteswissenschaftliche Arbeitsmethoden erlernt. Messen, Protokollieren, Auswerten und Darstellen sowie Recherche, Bibliographieren, Präsentieren mit analogen und digitalen Mitteln waren hier einige der konkreten Lernziele. Auf diese Weise hatten die heutigen §4-Absolventinnen und Absolventen schon lange vor der pandemiebedingten Digitalisierung des schulischen Lernens Erfahrungen damit, was heute oft als „zeitgemäßes“ bzw. „Lernen für das 21. Jahrhundert“ bezeichnet wird. Der Erweiterungs- und Vertiefungscharakter der §4-Ausbildung wird auch in der Abiturstufe deutlich, denn hier belegen die Schüler und Schülerinnen 3 statt der üblichen 2 Leistungskurse sowie einen bilingualen Biologie- oder Geographiekurs. Der dabei entstehende Mehraufwand schlägt sich in erweiterten Kenntnissen und Fertigkeiten nieder und wird auch von künftigen Ausbildungsund Arbeitsstätten als Teil der wichtigen „Softskills“, insbesondere Engagement, Ausdauer, Resilienz, Zielstrebigkeit etc. anerkannt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten daher mit dem Abiturzeugnis ein entsprechendes Zertifikat, das diese Leistungen gesondert hervorhebt und würdigt.
Und was bedeutet dies für die nachfolgenden Jahrgänge, insbesondere für die künftigen Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 5?
Wir entwickeln unser didaktisches Konzept stetig weiter, um den Ausbildungsgang auch künftig attraktiv zu gestalten. Mit dem verstärkten Einsatz vielfältiger Bewertungsmethoden in einer wertschätzenden Feedback-Kultur fördern wir die Lernenden. Ab dem Schuljahr 2022/2023 können diese Schülerinnen und Schüler auch am CertiLingua®-Programm teilnehmen und bei Projekten mit einem ausländischen Partner in den Klassenstufen 10 bis 12 einen zusätzlichen Exzellenz-Nachweis erwerben. Allen Schülern und Schülerinnen unseres Gymnasiums wird dann auch eine englischsprachige Bibliothek zur Verfügung stehen, die aus Fördermitteln der vertieften sprachlichen Ausbildung finanziert wird. In Verbindung mit einem Wettbewerb fördern wir so systematisch die Lesefreude und literarische Kompetenzen und leisten einen weiteren Beitrag zur Medienbildung aller Schülerinnen und Schüler. Somit stellt die vertiefte sprachliche Ausbildung auch ein Element der Schulentwicklung am Gymnasium
St. Augustin dar, gewissermaßen einen Innovationskern, der auf die ganze Schule ausstrahlt.
Haben alle Schülerinnen und Schüler, die vor sechs Jahren diese Ausbildung begannen, den Lehrgang abgeschlossen? Sind §4-Abgänger de-signierte Nobelpreis-Kandidaten und benötigen Bewerberinnen und Bewerber einen IQ von 130?
Nicht alle Schülerinnen und Schüler dieses ersten §4-Jahrgangs haben – aus unterschiedlichen persönlichen Gründen – ihre schulische Ausbildung auch in diesem Profil beendet. Dies ist zwar Anspruch, jedoch nicht Verpflichtung. Doch zum einen sind die erweiterten und vertieften Kompetenzen sowie die Fähigkeit, fachliche Inhalte fremdsprachlich zu bewältigen, übertragbar auf vielfältige akademische und nichtakademische Bereiche und stellen damit auch ohne das §4-Zertifikat einen bildungsbiographischen „Mehrwert“ dar. Zum anderen ist das Avantgarde-Erlebnis hervorzuheben, denn einige der zunächst exklusiven Methoden und didaktischen Ansätze sind pandemiebedingt unerwartet schnell allgemeine Wirklichkeit geworden. Diese Erfahrung ermöglicht es unseren Absolventen, neuen Entwicklungen aktiv mit Pioniergeist zu begegnen und diese für sich und ihre Umwelt fruchtbar zu machen. Tatsächlich ist es nicht unser vordergründiger Anspruch, Absolventinnen und Absolventen auf globale Spitzenpositionen vorzubereiten. Getreu dem Motto „aus der Region, für die Region“ möchten wir unsere Schüler und Schülerinnen auch befähigen, ihre Heimatregion im globalen Zusammenhang zu sehen, denn eine starke Region braucht starke Bürger. Gute schulische Leistungen sind daher eine Voraussetzung, um die Anforderungen des Bildungsganges zu bewältigen. Entscheidend ist jedoch, dass Kinder, die sich für diese Ausbildung bewerben möchten, neugierig und kreativ sind, Freude am Lernen haben und auch selbstständig Herausforderungen suchen.