„Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt...“ diese Dorfschulmeisterposie hatte mit der Wirklichkeit nie wirklich etwas zu tun, prägt aber selbst heute noch manches Bild für die, die das Brot wegwerfen, ehe es hart wird und das nächste im Supermarkt holen – dank unseres Wohlstandes. Der Winter ist vorüber wie der Winterschlussverkauf. Die nötige Winterruhe war kurz und erträglich, nun sprießen die eiligen Blütenpflanzen. Die Sonne steigt längst wieder und die vorletzten Singvögel suchen nach Futter und Nistplätzen. Wir sehen und erleben etwas, das wir Frühling nennen, wissen aber nicht, wie es „im Innersten zusammenhängt...“ nämlich mit den Merkwürdigkeiten der Erde, die uns bloß selbstverständlich scheinen, es aber nicht sind! Zwei „Tag – und – Nacht – Gleichen“ bestimmen die vier Jahreszeiten und die erste wiederum das nicht feste Ostern mit dem ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond.
Die orthodoxe östliche Christenheit bleibt bei ihrem alten Kalender, und er hat ihr ebenso wichtigstes Fest an einem anderen Sonntag. Die uns umgebende Natur nimmt darauf keinen
Bezug: Christrosen blühen immer vor den Osterglocken = Narzissen, die ihren Namen aus der klassischen griechischen Mythologie haben. Einige Pflanzen haben es eilig an ihren geschützten
Standorten hoch zu kommen, ehe die Gräser wachsen und die hohen Bäume wenig Licht auf den Boden kommen lassen. Zu den Eiligen gehören die Märzenbecher. Sie beziehen sich wie manche andere Dinge auf den Frühlingsmonat, auch kein Märzschnee kann sie aufhalten. Mit den Namen „Frühlingsknotenblume“ können wir kaum etwas anfangen, kennen aber viele andere ähnlich treffende Namen für sie. Bei ihnen haben wir es „mit der Sechs“ zu tun: an jeder Spitze der sechs Blütenblätter sitzt ein namensgebender kleiner, grüner Knoten. Aus dem Blütengrunde wachsen sechs orangefarbene Staubgefäße heraus, die für uns „Signalfarben“ sind, wenn wir auch nie wissen werden, was die Insekten sehen, wenn ihnen auch sicher etwas Verlockendes auffallen muss. Die hellen Farben locken bestäubende Insekten an, auch wenn sie keinen abgesonderten Honig davon tragen können. Wenn sich die Laubkronen schließen oder das Gras hoch steht –sind sie mit Blühen längst fertig und haben ihre Samen ausgebildet, der wird durch Ameisen verbreitet. Es sind eben Frühlingsblüher, die dann nicht mehr auffallen
und Bestäubungen auslösen würden. Sie sind eingezogen und in den Zwiebeln werden Energien angereichert, von den Mutter- werden die Tochterzwiebeln gebildet, die eine schnellere Verbreitung sichern, als Speisezwiebeln sind sie nicht nur durch die Größe ungeeignet, sie sind auch geschmacklos. Als wohl einzige Pflanze ist der Märzenbecher weder Heil- noch Gewürzpflanze und behauptet sich nur durch seine Schönheit. Irgendwann kamen diese Pflanzen aus Süd- oder Südosteuropa zu uns und gehören mit Rosen und Lilien in die Paradiesgärten der spätgotischen Tafelmalerei. In Grüppchen stehen sie auch im Feuchten zusammen im Humus unter hohen Bäumen oder auf
hängigen Wiesen. Ausgepflanzte brauchen mitunter ein Jahr, bis sie blühen – es kann sein, dass die Zwiebeln eingetrocknet waren, mitunter finden auch Mäuse daran Gefallen. Die systematisierenden Botaniker ordnen den „Kosmopoliten“ den Amaryllisgewächsen zu, nachdem sie ihn gründlich betrachtet und eindeutig seziert haben. Märzenbecher beherrschen beide Teile des Leipziger Auwaldes und verlocken viele neugierig stehenzubleiben, das Wunder zu bestaunen. Im Mai ist dort der Boden anders, ganz einheitlich grün, aber auch weiß besetzt - etwas menschenunfreundlich, denn den würzig-herben Duft des Bärlauchs mögen nicht alle. Ein ausgesprochen stillschönes, etwas heimeliges Vorkommen von Märzenbechern findet man im Naturschutzgebiet „Zöllnermühle“ im Grunde des Schanzenbaches zwischen Grimma und Leisnig. Warum sie gerade dort und nur dort so überreichlich blühen, gehört zu den unergründlichen
Rätseln der Natur, ist unerklärlich. Wir haben keine Not, sie in den vielen Gärten zu verstehen: es sind Zier- und keine Nutzgärten mehr. Zu
unserer Freude gibt es stille Konkurrenzen der blumenliebenden Nachbarinnen, die mit den Frühlingsblühern beginnt.
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Der Märzenbecher
Der Märzenbecher
von Rudolf Priemer
Vereine
- Geschichts- und Altertumsverein zu Grimma e.V., Leipziger Straße 5, 04668 Grimma
Meldung vom 25.03.2019