© Gemälde im GöschenhausIm „Grimmaischen Wochen- und Anzeigeblatt“ vom 8.11.1860 erschien unter der Überschrift „Eine Stiftung für die hiesige Königliche Landesschule“ eine Mitteilung, die mit dem Satz begann: „Gewiss wird sich noch so Mancher des Namens Georg Joachim Göschen erinnern, der früher zu den Zierden der deutschen Buchhändler gehörte und sich um die gesamte Literatur […] hochverdient gemacht hat.“ Göschen starb 32 Jahre zuvor. Sicher besaßen manche Grimmaer einige Werke von Goethe, Schiller, Klopstock oder Wieland und viele Fürstenschüler eine griechische Ausgabe des Homer, die alle in Göschens Druckerei in Grimma gedruckt worden waren. In der Mitteilung heißt es weiter: „Zum Gedächtnis dieses Mannes […] und in treuer Anhänglichkeit an sein Vaterland hat der in England lebende Sohn Joachim, Herr Wilhelm Heinrich Göschen, eine Stiftung begründet, durch welche er der berühmten Königlichen Landesschule einen Beweis seiner Hochachtung zu geben und die tüchtigen Zöglinge derselben bei ihrem Übergang zur Universität zum eifrigen Fortschreiten nach dem Ziele umfassender praktischer Ausbildung anzuspornen beabsichtigt.“ Dieser Wilhelm Heinrich Göschen wurde 1793 in Leipzig geboren und war der vierte und „bei weitem bedeutendste und erfolgreichste von den Söhnen“ des Ehepaares Göschen, „und zwar nicht nur als unternehmungslustiges, wagemutiges kaufmännisches Genie, sondern mehr noch als charaktervolle Persönlichkeit, als warm- und hochherziger Mensch“, wie Georg Heinrich Wahle, ein Urenkel Göschens, in seinen Erinnerungen schreibt. In dem großen Familienkreis der Göschens galt er als das Ideal eines „königlichen Kaufmanns“. Nach einer kaufmännischen Lehre in Bremen ging er mit seinem Freund und Geschäftspartner Peter Heinrich Frühling nach London, wo sie 1814 das Bankhaus „Fruhling und Goschen“ gründeten. Durch seine Heirat mit Henriette Ohmann aus Dublin und die zwölf Kinder des Ehepaares begründete er die englische Linie der Familie Göschen. Seiner sächsischen Heimat blieb er dennoch zeitlebens eng verbunden, und er besuchte sie, vor allem Hohnstädt, so oft es ihm möglich war. Nach dem Tod seiner Mutter 1850 erbte er mit seiner Schwester Friederike Charlotte das Wohnhaus in Hohnstädt und zehn Jahre später, mit 67 Jahren, kehrte er aus gesundheitlichen Gründen wieder nach Sachsen zurück, wo er im böhlschen Rittergut wohnte. Als Wilhelm Heinrich Ende Juli 1866 eine Reise nach London unternahm, erkrankte er unterwegs und starb am 29. Juli 1866 in Gent. Er wurde nach London überführt und dort beigesetzt. Öfter ließ Wilhelm Heinrich Göschen seiner Heimat größere Geldbeträge für wohltätige Zwecke zukommen. Zum Beispiel spendete er der Grimmaer Kinderbewahranstalt im Jahre 1865 1.000 Taler für den Kauf eines Hauses. Die bedeutendste dieser Spenden war die Göschen-Stiftung zum Andenken an seinen Vater, das sogenannte Göschen-Stipendium an der Fürsten- und Landesschule Grimma. Mit Urkunde vom 14. August 1860 übergab Wilhelm Heinrich Göschen dem sächsischen Unterrichtsministerium den Betrag von 15.000 Talern. Von den vielprozentigen Zinsen dieses Betrages sollte derjenige Abiturient für drei Jahre ein jährliches Stipendium von 200 Talern zur Finanzierung seines Studiums erhalten, der nicht nur die ausgezeichnetsten fachlichen Leistungen und die beste charakterliche Beurteilung vorweisen konnte, sondern auch eine besondere Arbeit auf dem Gebiet der deutschen Sprache angefertigt hatte. Diese deutsche Arbeit hat der Stifter ausdrücklich zur Bedingung für das Stipendium gemacht, um damit der deutschen Sprache gegenüber dem vorherrschenden Latein und Griechisch an den Fürstenschulen eine größere Wertschätzung zu geben. Die Arbeit sollte ein Thema aus der Geschichte, der Philosophie, der Literatur, der Naturlehre oder anderen Wissenschaftsdisziplinen behandeln und auch Ansätze zur Anwendung des auf der Schule erworbenen Wissens in der Praxis zeigen. Das Thema wurde vom Rektor gestellt, der die angefertigten Arbeiten zusammen mit dem Lehrerkollegium beurteilte und die besten auswählte, die danach beim Ministerium eingereicht wurden. In den Jahren bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges waren es ausschließlich Themen aus der Literatur, vorwiegend aus der Antike, die mit einer Anwendung auf das praktische Leben wenig zu tun hatten. Später überwogen historische und politische Themen bis in den dreißiger Jahren auch die Naziideologie in die Aufgabenstellung eindrang. Wie schon der Verleger Georg Joachim Göschen durch seine griechischen Schulausgaben eng mit der Grimmaer Fürstenschule verbunden war, so ist durch seine großzügige Stiftung auch der Sohn in die Geschichte der Schule eingegangen. Zu Recht betont die Grimmaer Zeitung von 1886, dass die Motive des Stifters bestimmt sind „von der echten, auf wahrer Bildung des Geistes und Herzens ruhenden Humanität“. 1865 erhielt auch die Fürstenschule St. Afra in Meißen eine Stiftung von 10.500 Talern von Wilhelm Heinrich Göschen, von dessen Söhnen zwei diese Schule besucht hatten.
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Kartenanwendung
Göschen-Stipendium für Grimmaer Fürstenschüler
Göschen-Stipendium für Grimmaer Fürstenschüler
von Eberhardt Zänker
Gebäude, Institutionen, sonstige Einrichtungen
- Museum Göschenhaus - Seume Gedenkstätte, Schillerstraße 25, 04668 Grimma
- Klassizistischer Privatgarten am Göschenhaus, Schillerstraße 25, 04668 Grimma
Vereine
- Internationale Johann-Gottfried-Seume-Gesellschaft "Arethusa" e.V. Grimma, Schillerstraße 25, 04668 Grimma (Göschenhaus)
Meldung vom 20.07.2020Letzte Aktualisierung: 24.07.2020