Wer durch den Forst Thümmlitz fährt, erschrickt jedes Mal durch die kahlen, abgeräumten Flächen, auf denen bestenfalls schon Birken wachsen und sieht überall braune Fichten, die bald fallen müssen und Stapel abzufahrenden Holzes. Schuld sind Stürme, Trockenheit und Borkenkäfer und natürlich auch der Mensch selbst. Einzelne Leser erinnern sich noch Guntram Heinrich, der als junger Revierförster den Wald übernahm und ihn voller Leidenschaft vorbildlich pflegte. Er kannte sogar bis zu seinem Ausscheiden viele Bäume mit ihren Vornamen und die Geschichte dieses Waldes so, dass er einen Lehrpfad anlegte und pflegte. Es gelang ihm immer, die großen Kahlschläge wieder aufzuforsten, ehe die Erosion der mageren Böden einsetzte. Das gelang mit seinen
wenigen, hart und umsichtig arbeitenden Waldarbeitern und dank einer perfekten Technik. Hier, wie überall im dicht besiedelten Land blieben für den Wald nur die schlechten Böden, auf denen jetzt Fichten und Kiefern stocken, sie waren die „Brotbäume“ des staatlichen Forstwesens. Die Baumschulen waren seit langem auf die schnell wachsenden Nadelbäume orientiert, Laubhölzer gab es nicht oder kaum. Die Bestände mussten manchmal schon angegriffen werden, wenn sie noch nicht schlagreif waren, denn die waldarme DDR musste auch Holz exportieren, um zu existieren. Keiner wollte es hören, dass in den hiesigen Wäldern bis 200 Jahre immer nur Laubbäume gewachsen waren. Das sehr früh industrialisierte Sachsen litt seit Jahrhunderten an einer Holznot, die kaum zu beheben war. Heinrich Cotta (1763 -1844) hatte im Südthüringischen eine erfolgreiche Waldwirtschaft betrieben - „von der Holzzucht zum Waldbau“ – und wurde vom sächsischen Staat 1816 verpflichtet, die bald weltberühmte Forstakademie in Tharandt einzurichten. Zu der Zeit gab es hier keine Wälder mit stattlichen Bäumen, sie bestanden aus Buschwerk, denn die Bauern trieben ihr Vieh gewohnheitsmäßig zur „Waldhutung“ dorthin und ernteten junge Triebe als „Laubstreu“. Um langfristig wieder gutes Holz effektiv ernten zu können, entwickelte er einen sinnvollen Plan, eine sinnvolle, langfristige Holzernte zu sichern: ein- oder zweimal sollten schnell wachsende Nadelbäume geerntet und der dabei erzielte Erlös gespart werden, um das Geld für das Anpflanzen standortgerechter Laubbäume zu verwenden. Das weitsichtige Projekt begann der Sohn Bernhard Cotta 1820 im Thümmlitz und um ein Jahr versetzt mit dem Colditzer Wald. Die Weltgeschichte des Forstwesens
begann hier und bei uns! Zunächst mussten die Waldflächen vermessen und in ein System sich rechtwinklig schneidender Flügel und Schneisen eingeteilt werden. Den Bauern waren die Hutungsrechte abzukaufen und ihnen nachdrücklich zu verdeutlichen, dass die bisherige Waldnutzung zu Ende war. Es war auch da eine Zeit grundsätzlicher Veränderungen, denn das schnelle Wachsen der Bevölkerung erzwang von ihr eine höhere Effektivität, die mit ganzjähriger Stallhaltung der Rinder, neuen leistungsfähigen Getreidesorten, Klee-, Luzerne- und Kartoffelanbau auf den bisherigen Brachflächen angedeutet
sein soll. Hier gab es bald fachliche
Waldbegehungen, die die Erfolge des reinen
Nadelholzanbaues verdeutlichten, Hinweise wurden gegeben und Erfahrungen vermittelt. Die finanziellen Ergebnisse des ersten Umtriebes gaben dem Initiator recht, so folgten dem Ersten und Zweiten weitere – das Geld wurde aber nicht gespart, um den Waldumbau zu Laubmischwald zu finanzieren. Die Nadelwald-Forste wurden zu scheinbar unversiegenden Profitquellen! So gerieten wir in die gegenwärtige Katastrophe! Die wird durch dieSturmschäden ausgelöst und dadurch verstärkt, dass alle Nadelbäume in den Monokulturen gleichaltrig sind, kein gesunder, gemischter Waldbestand dasteht. Das rein ökonomische aber nie ökologisch bedachte Wirtschaften funktionierte mehr als 100 Jahre gut, nun stehen wir vor der von uns selbst verursachten Katastrophe! Die sommerliche Trockenheit und milde Winter schafften den Schadinsekten ideale Lebensbedingungen. Ihre Fressfeinde können nie das Gleichgewicht herstellen. Die „chemische Keule“ würde die Sache nur verschlimmern. Das “Käferholz” zu verkaufen bringt kein Geld, die Mengen sind kaum zu bewältigen. Es kommen die Bäume hinzu, die jetzt so geschädigt sind, dass sie demnächst auch tot dastehen. Das gegenwärtige Forstwesen kann die Probleme kaum schnell lösen und das Schadholz aus dem Wald holen. Es sind die sehr schmerzhaft gewonnenen Erkenntnisse der profitorientierten Forstwirtschaft zu nennen und die Fehler gemeinsam zu korrigieren. Wer weiter denkt, sieht eine Holznot der nächsten Zeit – die großen nördlichen Nadelwälder brennen und den ganzen Amazonas kann man nicht abholzen, um Soja anzubauen, dass unsere Rinder Hochleistungsfutter bekommen können! Es wird nicht ohne schmerzliche Verzichte gehen, die wieder vor allem die vielen nicht Privilegierten treffen werden. Wenn der Wald stirbt, stirbt die Menschheit aus – langsam aber unwiderruflich. Die Situation ist dramatisch – wenn sie wirklich erkannt wird, gibt es lange Wege bis zur Veränderung – noch ist Zeit zu Handeln. „Weiter so“ ist längst vorüber, aber sehr schwer wirklich einzusehen. Wir stehen vor dem Anfang längst nötigen vernünftigen Handelns, denn vorläufig wird nur geredet, wo längst zu handeln notwendig wäre. Die Autoindustrie verkauft unsinnige „Straßenpanzer“ als ihren Negativbeitrag zu den längst unaufschiebbaren Problemen und wird wieder eine Lücke finden, sich der Verantwortung zu entziehen.
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Erschrecken im Thümmlitz
Erschrecken im Thümmlitz
von Rudolf Priemer
Gebäude, Institutionen, sonstige Einrichtungen
- Thümmlitzsee, Zum Thümmlitzsee 10, 04668 Grimma (Förstgen)
Meldung vom 12.11.2019Letzte Aktualisierung: 26.07.2022