Höfgen Dorf der Sinne© Gerhard WeberDas Land war in der Jungsteinzeit nicht siedlungsleer, sondern das offene Land ist von verschiedenen Völkern immer wieder besiedelt worden. Dazu gehörten auch die germanischen Völker mit ihrer Bronzezeit-Kultur. Immer wieder und zufällig werden Spuren dieser Besiedlungen gefunden, eher dauerhafte Grabmäler als schnell wieder aufgegebene Siedlungen. Mit den Spuren der Vergangenheit beschäftigt man sich hier systematisch seit rund 200 Jahren. Es handelt sich aber immer um zufällige Funde. Mit kriminalistischem Scharfsinn arbeiten die Archäologen an historischen Weltbildern, Irrtümer eingeschlossen. Im 6. Jahrhundert wanderten slawische Völker elbabwärts und ihre Zuflüsse aufwärts aus dem Böhmischen Becken ein. Hier siedelte sich die kleine Gruppe der „Cutitzi“ an. Sie drängten den Wald zurück, wo es am leichtesten möglich war, Raum für Siedlungen zuschaffen. Hämmer, Meisel und Sicheln waren aus Eisen, die Männer besaßen Schwerter und Dolche. Sie handelten in allem gemeinschaftlich, denn es ging um die Existenz der Gruppe, des Dorfes. In einer „Feldgraswirtschaft“ wurde unsystematisch Getreide angebaut, höchstens das Dreifache der Aussaat geerntet. Irgendwann entstanden Familien, die erfolgreicher waren, als die anderen. Ihre Häupter wurden zu allgemein anerkannten „Führern“. Es kam zu kultischen wie militärischen Bündnissen über die Dorfgrenzen hinweg, irgend- wann auch zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen. Man fing an Volksburgen zu bauen, auf die man sich in Ernstfällen zurückziehen konnte und die gemeinsam zu verteidigen waren. Der größte Volksstamm waren die Daleminzier in der Meißener Gegend. Sie hatten sich 929 in ihrer Burg „Gahna“ verschanzt, die von den Rittern des deutschen Königs Heinrich I. schließlich erstürmt wurde. Danach zur Überwinterung die Burg in Meißen. Zuerst wurden entlang der Mulden deutsche Stützpunkte der Macht angelegt. Den auf den Burgwarden sitzenden deutschen Rittern war von den Markgrafen Land und weiter an Bauern zur Nutzung übergeben worden. Das feudale System bestand im gegenseitigen Geben und Nehmen. Die Leistungen und Abgaben der Bauern waren hier gemessen = genau festgelegt. Die Urkunden dazu wurden in Abständen vorgelesen, wobei man genau und aufmerksam auf den Wortlaut achtete. Daher war kein sächsischer Bauer „leibeigen“, hatte aber bis nach 1831 feste Abgaben und Leistungen an die „Grundherrschaft“ zu erbringen. Sie übte die örtliche Herrschaft und Gewalt aus. Sie konkurrierten hart gegeneinander, der stärkere hatte lange unwidersprochen recht. Wie das genau funktionierte, wurde nie gefragt. Es lässt sich kaum nachweisen. Im 11. bis 13. Jahrhundert wanderten hier im buchstäblichen Sinne Bauern aus Rheinland, Franken, Flandern und Norddeutschland in großen Gruppen ein. Sie flohen dort vor der drückenden feudalen Ausbeutung in eine sehr gefahrvolle, ungewisse, bedingte Freiheit. Die einwandernden Fremden mussten dort siedeln, wo noch Land frei war. Sie brachten den agrarischen Fortschritt mit: eiserne Pflugschare, systematische Feldwirtschaft mit dem Wechsel des Anbauens von Winter- und Sommergetreide mit der Brache, einer Ruhezeit für den Boden und die ersten me- chanischen Mühlen. Nur aus der Kührener Urkunde von 1154 erfahren wir einmal, wie die deutsche Besiedlung vor sich ging. Jeder Bauernfamilie wurde ein für sie ausreichend großes Stück Land zugemessen, eine Hufe, die sie zu bearbeiten hatte, gegen fest „gemessene Abgaben Dienste und Leistungen“ an die örtliche Obrigkeit der Kirche. Die Eingewanderten brachten auch ihre Kultur mit und legten ihre Dörfer so an, wie sie es kannten. Wir können nur versuchen uns vorzustellen, wie sich das Zusammenleben mit den hier Wohnenden auf den besseren Böden östlich der Mulde im Einzelnen gestaltet haben könnte oder kann. In den Dörfern westlich der Mulde steht in jedem langgestreckten Dorf die Kirche in der Mitte, sie ist der christlichen Dreifaltigkeit von Gottvater, Sohn und dem Heiligen Geiste geweiht. Wie die Hütten und die Häuser waren sie zuerst aus Holz, „versteinerten“ dann und wurden so groß gebaut, dass sie alle Dorfbewohner fassen konnten. Ein Glockenturm steht immer westlich davor. Die kleineren und immer enger beieinanderliegenden slawisch gegründeten Dörfer östlich der Mulde drücken sich oft in eine Senke und haben sehr selten überhaupt eine Kirche, und wenn dann ist die deutlich jünger. Für die verschiedenen Anliegen der Gläubigen gab es spezielle, vor allem Naturgottheiten, für die keine Kirchen nötig waren. Die hier schriftlose slawische Kultur konkurrierte noch lange gegen die herrschende deutsche. Wir erkennen die slawisch gegründeten Dörfer daran, dass sie mit Zischlauten enden. Bis 1327 konnte sich jeder Sor- be/Wende vor dem Leipziger Gericht in seiner Muttersprache verteidigen. Mit dem sicherer werdenden Leben und stabileren Rechtsverhältnissen trat das Militärische zurück. Konflikte wurden seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr von Ritterheeren ausgetragen, sondern von Söldnern mit Feuerwaffen und für Geld von dafür Ausgebildeten, die sich als Landsknechte dafür anboten und verkauften. Die bisherigen Ritter wurden Agrarunternehmer, Rittergutsbesitzer. Die Rittergutsbesitzer schafften es bis 1945, weitgehend die Bevölkerung und Industrie des Landes mit Lebensmitteln und Rohstoffen zu versorgen. Aus den sinnvoll, wie konsequenten Reglementierungen des späten 19. Jahrhunderts entstanden unsere bedingt noch erkennbaren „klassischen Ortsbilder“. Sie wurden so sinnvoll wie praktisch nutzbar geschaffen, als baulicheFreiheit noch nicht mit Anarchie und baulichen Moden verwechselt wurde, während sich die Wirtschaftsweise auch grundsätzlich änderte. Die Entwicklungen der 1960er und vor allem die der 1990er Jahre veränderten das Leben in den Dörfern jeweils grundsätzlich. Jetzt sind die Dörfer vor allem Schlaf-, aber kaum noch Lebensorte – gleich auf welchem Muldenufer sie liegen. Sie stehen im Gegensatz zu den Städten nicht in einer angemessenen staatlichen Gunst. Die recht verschiedenen Siedlungsbilder von Pomßen und Pöhsig folgen aus sehr verschiedenen Entwicklungen.
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Die Besiedlung im Muldenland
Die Besiedlung im Muldenland
von Rudolf Priemer, Vorsitzender des Geschichts- und Altertumsvereins Grimma e.V.
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Meldung vom 25.10.2021